AUSSTELLUNGSKONZEPTE


2022

THE VIEW TO THE HORIZON

 

SCHEITERE AN EINEM ANDEREN TAG


 


2018

ALL ALONG THE WATCHTOWER

FORM FOLLOWS PROPAGANDA

Punkt und Linie zu Fläche, eine Enzyklopädie heute

Eine Skizze



November 1967:  Bob Dylan veröffentlicht den Song „All along the watchtower“, im darauf folgenden Jahr entsteht die Fassung von Jimi Hendrix. Sie wird zu einer Ikone der Rockmusik. Es herrschen der Kalte und der Vietnam-Krieg. Es ist der Vorabend der Studentenrevolten und des Prager Frühlings.
Gewalttätige Zeiten , die in gewaltigen Umbrüchen und Gegenbewegungen enden, Fundamentsteine eines sozialen Bewusstseins des 21. Jahrhunderts.
Heute? 40 Jahre später? Kaum kann man sich der Mauern, Vorurteile und Feindbilder erwehren.

...There must be some kind of way outta here… There's too much confusion...

Regal

 

Der Verlust der Ordnung, des geordneten Bildes und es geht immer um Bilder. Und es ist immer die passende Komposition, die verlangt wird.

There is too much confusion…

eher ‘there‘s too much information’, da ist zu viel Bild. Und das zweidimensionale Bild wird zur eindimensionalen Parole, die Sicherheit heuchelt, zur Mauer der Gewissheit.


durch die Fläche


There must be some kind of way outta here
Said the joker to the thief …


‚Die Regalkonstruktion eines Mondrian konnte nicht gut gehen und irgendwann würde einer  das Messer zücken und nachsehen, was sich dahinter befindet‘
Sind Fluchtgedanken plastischer als der Ordnungswille? Bewegen sie sich in den Raum hinein, während die Ordnung in der Fläche bleibt? 3D contra 2D?


Wachturm


Übrigens „All along the watchtower“ was für ein sprachlicher Unsinn, entlang eines Wachturms, heißt das jetzt sowas wie der Tanz um den Maibaum? Weil entlang müßte dann wie drumherum sein. Drumherum ein Kreis.
Ist dann Flucht nicht eine Linie, sei es mäandernd oder gerade wie ein Strich?


Wölfe


…A wildcat did growl
Two riders were approaching
And the wind began to howl


Potemkinsche Dörfer, aus fauchenden Katzen werden heulende Wölfe. Wahrheit ist, was wahrgenommen werden will. Das ist sowas, wie Farbenblindheit.



Mauer der Abhängigen


There are many here among us
Who feel that life is but a joke
...But, uh, but you and I, we've been through that ...


Vielleicht wollte Plato genau das im Höhlengleichnis sagen. Die zugrundeliegende Wahrheit! Das eine ist nicht das, was es scheint, sondern eine andere Wahrheit. Der Sache einen Namen geben à la Kandinsky, Punkt und Linie zu Fläche. Und trotzdem reine Interpretationssache. Und trotzdem ist grün grün, aber Geschichten wollen die Leute hören. Ja, ja, es wird von Idealismus gesprochen, einer innewohnenden Wahrheit, heute ist das der Informationsvorsprung, der in der Beherrschung der Öffentlichkeit liegt. Das wird immer verzweifelter.
Die Macht über die Bilder, die Bilder, die verfolgen, leer laufen und ihren Sinn verlieren. Bilder, die sich unendlich vervielfältigen, aus dem Leben her eindringen und die Balance aufs Spiel setzen. Den Paradiesgarten der Kunst, den hortus conclusus als hilflose Paraphrase bloßstellen, entlarven.

Danger Danger Danger Danger: Propaganda wo fängt sie, wo hört die Meinung auf, wer ist schuld? Bilder?
Sie wollen alle Wahrheit, eine Richtung, wo doch die Pfeile in alle Richtungen gehen und das weiße Rauschen jede Farbe zu einem Brei zermanscht. Wer hat was davon, die Verschwörung ist im Gange. Kreis, Quadrat, worin man seinen Gefängnisgang vollzieht.


1/17 Composizion Blaue Blume

... All along the watchtower
Princes kept the view ...


Überwachung gar nicht gut, das Heft des Handelns liegt nicht mehr in der eigenen Hand, so scheint es. UND: was technisch möglich ist, wird auch gemacht.
Ein Malen nach Zahlen, Schablonen, Effekthascherei? Die Kontrolle des Gemalten, auch hier der innewohnende Wahrheitsgehalt, von hohler Geste zu ‚echtem‘ Gefühl, Echtheit/Authentizität. Kontrolle und Entgrenzung.
Das Format, das dem Bild den Halt gibt, ist Rahmenbedingung und ist vernachlässigt und übersehen. Der Bildträger ist nicht selbstverständlich, sondern der Beginn der Komposition. Der Blick auf die Mitte hingegen ist hypnotisch.


Look


... So let us stop talkin' falsely now
The hour's getting late, hey ...

Die Betriebsblindheit sieht den Rahmen nicht, das Hamsterrad, soziale Rollen, Konventionen, und ganz viel Angst vor dem Verlust. Stopp! Da gibt es feine Unterschiede, der Rahmen ist selten rund und noch seltener bewegt er sich. Die Drehung eines Hamsterrades findet im Raum statt, festverankert zwar und doch. Es wird Energie verbrannt. Die sozialen Rollen eifern dem nach, jedoch sind es dramatische, die bestimmte bildhafte Vorstellungen einfordern. Also etwas Flaches. Konventionen, das heißt die Verhaltensregeln hangeln sich an Zeitachsen entlang. ‚Wenn – dann’. Der Pawlowsche Effekt, gut konditioniert, ist die halbe Miete. Und die Angst ist virtuell. Sie fordert ihren eigenen Raum, nicht greifbar. Die Angst vor dem Abstieg und der Abstieg sind 2 verschiedene Dinge. (Hier ist interessant: Angst, Freude, Vorfreude, Sex, Trauer sind virtuell. Wie funktioniert hier die visuelle Welt?)

Formen?


Knast


‚Künstlerisch, verführerisch, selbstbestimmt, nerdig, sportiv, aktiv, proaktiv, vernetzt, vegan, national, kreativ, deutsch, global, ökologisch, ökonomisch, nachhaltig, kommunikativ und glutenfrei.‘

...Business men, they drink my wine
Plowmen dig my earth
None were level on the mind
Nobody up at his word ...

Wer ist Opfer, wer Täter?
Wer zerstört, lebt schon in einer zerstörten Welt.



„… Die Verbraucher wollen all das „Zeug“ und die materiellen Dinge, die sie besitzen, hinter sich lassen und stattdessen ganz im Moment sein und das Leben voll auskosten …“ (Aus ISPO, News, Modetrends 2019)

Wenn Sprache manchmal einem Gefängnis gleicht, dann spielt die Werbebranche den Gefängniswärter und auch noch den Innendekorateur. Es wird zugekleistert, geschönt, um die triste Perfidie des eigentlichen Plans zu verstecken. (hier noch eine Garderobe, dort ein Spiegelchen .../Grüße von ‚MATRIX‘)

Langsam kommt man an den Kern der Sache heran. Die Sprache ist das Problem.

Aber was unterscheidet den Text/Satz vom Bild? Warum ist er um ein vielfaches gefährlicher und unangenehmer? Das Sehen umgibt den Menschen vom ersten Moment des Lebens an, Text/Satz ist mit der Erziehung verbunden, es ist eine Handlungsanweisung von klein auf. Ein Imperativ.
Ein reales Bild, einen Moment erleben und mit den eigenen Augen wahrnehmen, agiert anders und oft schwächer als die Befehle: „Schieß!“ oder „Hilf!“. Bilder werden erst spät in der Entwicklung des Menschen mit Konventionen verknüpft, moralisch, sozial, ethisch oder ästhetisch. Wahrnehmung ist zunächst neutral und frei von Wertungen. Die Abbildungen agieren da schon etwas anders, da sie auf Erlebte und Durchlebte vertrauen. Beispiel: der Gaffer!
Das Sehen löst keine Gefühle aus. Erst das Erfahren einer Situation speichert sie auch bildlich in dem Gehirn ab. (Helligkeit, das Austreiben und Erblühen der Pflanzen etc. lässt Frühlingsgefühle sprießen/ Grüße von Pawlow) Die Träne, die von der Wange des Clowns rinnt, funktioniert darum auch so überzeugend.

Einen Formenkanon gleich einer Enzyklopädie zu erstellen, ist ein fragwürdiges Unterfangen. So schwierig, geradezu beliebig.

Punkt und ... Linie zur Fläche


Die Formen folgen der Erfahrung und nicht einer ‚innewohnenden‘ Wahrheit. Vielmehr fährt das Gehirn mit einem verallgemeinernden Weichzeichner über das Erlebte, interpretiert es individuell und verschlagwortet den Vorgang für eine universelle Einsetzbarkeit. Das Holzschnittartige einer Werbung geht ähnlich vor.
Der Nebel eines Weichzeichners gegen die Kanten eines Holzschnittes.
Der Nebel/die Unschärfe ist eine moderne Erfindung (Cloud), die das starre und autoritäre Schema durchbricht, jedoch ebenso eine restriktive Einkapselung bewirkt. Informationsoverkill, der wie Sand in den Augen den Blick eintrübt. Der Blick auf die Weite, ob durch den Nebel oder eine Mauer ist versperrt.

...Outside in the cold distance
A wildcat did growl
Two riders were approaching
And the wind began to howl.

Die Mauer bewegt sich in den Raum hinein, definiert als Schnitt eine Grenze. Es ist ein zeichnerischer Moment, der ebenso nach klaren Formen verlangt. Das Geometrische bietet sich an, das sich am Rahmen orientiert und das Rechteck variiert. Der Nebel/die Unschärfe präsentiert sich als malerisches und amorphes Gewöll, nichts an dem man abgleiten  könnte. Es hat eher etwas morastiges, in dem man hängen bleibt und das Opfer in sich  eingesaugt. Treibsand und ein dreidimensionaler Knäuel. Sicher, die Unschärfe legt sich auch flach über eine Landschaft wie ein Schleier. Die Härte weicht dem Sumpf, der die Kraft raubt.
Die Mauer läßt den Blick darüber zu, es ist Differenz. Der Nebel raubt die Orientierung, besser als jedes Gefängnis.


Gesetzestafeln


Religion ist das Opium des/für das Volk/es. (Marx/Lenin) Religion ist mit den verschiedensten Glaubensrichtungen, Weltanschauungen, auch naturwissenschaftlichen und rationalen aufzufüllen. Opium bleibt der Nebel. Und: das Einkerkern findet zu oft freiwillig statt. Auch die gesellschaftliche Sanktionierung ist spiegelverkehrt, denn nicht der sozial Verbannte wird weggesperrt, sondern die soziale Identität fungiert als Gleichmacher, der Nebel = Anstaltsuniform. Weitere Ebenen tun sich auf.

pong

Ein Weiter des Kandinskyschen Formenkanon, eine Aktualisierung für das 21.Jh., zweiPunktnull, punktpunktkommastrich und was sonst noch? Das Digitale ist jedoch weit über ‚Pong‘, dem Computertennisspiel hinaus. Es imitiert verzweifelt das, was eh schon vorhanden ist, also die Wirklichkeit, es augmentet sie und natürlich auch emproven. Das Spärliche eines ‚Pong‘ kann kein WOW! hervorrufen, zu ein wenig Exotismus reicht es gerade noch. Vielleicht war das Konstruktive eines Kandinsky ähnlich auf die Knochen abgenagt in seiner verzweifelten Suche nach Wahrheit.

Ornament

Firlefanz! Das ist es, was fehlt! Firlefanz! Und man landet bei der Angst, dem Horror vacui, ob real existierend oder nur fiktiver Thrill. Es endet im verzweifelten Bedürfnis, die eigene Haut zu kennzeichnen. Adolf Loos wurde von seinen eigenen Enkeln ins Gegenteil verdreht, „Konstruktion und Verbrechen“. Das Ornament als Rettung beweist letztlich, dass ‚Alles ist Schall und Rauch‘.
Als möglicher Notausstieg verbleibt die Scheuklappe ‚Ich bin meine eigene Wahrheit‘ im Nebel der Meinungen. Wo bleibt die endgültige Wahrheit, wenn jeder sein Gott ist und nach seinen Gläubigen verlangt? Follower?
In dem Glauben der besonderen persönlichen Einzigartigkeit ist der Mensch vereinsamt und verletzlich, abhängig von technischen Hilfsmitteln und leicht manipulierbar, abhängig von seinen Beratern, advertising. Der Mensch hat sich mit seiner Verachtungsmaschinerie der Werbung den größten Kunden geschaffen, sich selbst. Hilfsmittelchen: Die Kinder, die Kinder bleiben sollen, um den Kindern zu sagen, wie der Hase läuft. Eins der bewährtesten aus dem Giftschrank ist die Bedrohung, am besten von aussen, damit die Herde der narzisstischen Einzelgötter bleibt, wo sie ist. Die Kirche hat den Begriff des Antichristen geschaffen. Es wird wieder Hexenjagd betrieben, um das ‚Gute‘ zu bewahren. Und da geht man auch mal über Leichen für die Sicherung der Werte. Erstaunlich, wie man das Leben einfordert und den Tod sät. Immer im Namen einer noch so gearteten Wahrheit. Ach ja, Freiheit und Frieden oder irgendein anderes Wohlfühldingens soll sie bringen. Der Idealismus siegt wieder und wenn jeder glaubt, er/sie habe ein angeborenes Anrecht auf was auch immer, die Werbung hat das ja gesagt und ohne geht ‚gar nicht‘! Conditio sine qua non.
Idealismus-Propaganda-Werbung-Religion, die vier apokalyptischen Reiter, die den Menschen genügend Mauern einreden können, natürlich nur zu ihrem Schutz vor den Katastrophen, so dass kein ‚Antiimperialistischer Schutzwall‘ mehr nötig ist.

...The thief he kindly spoke
There are many here among us
Who feel that life is but a joke
But, uh, but you and I, we've been through that...

Kopf

Formalia:
Nebel/Unschärfe (Malerei-Fotografie-Tintenstrahldrucker-Sprayen-Raum),
Ornament/Zeichnung(Fläche), Statik gegen Bewegung.
Grenze/Innen-Aussen,
Schein/Spiegel/Abbild (Wissen-virtueller Raum),
Mechanik/Händisch (kalte Präzision - Rhythmus),
DasEineSagen/DasGegenteilMachen (Subjekt-Objekt),
DieGleichheitDerEinzigartigen (Angst - virtueller Raum-Ornament)
Die Fläche als Gefängnis
Die Darstellung des Raumes und das Hell-Dunkel
Es sind einige Dinge im Unklaren, insbesondere der virtuelle Raum will verstanden werden.
Ein Abbild, sei es ein Foto, wie auch eine abbildende Zeichnung gibt es etwas vor, das real nicht vorhanden ist. Es ist ja nur eine Fläche und der Intellekt inszeniert daraus den Raum, darum virtuell. Entsprechend kann man auch in diesem ‚Kopf‘-Raum formale Strukturen erschaffen. Vielleicht haben in diesem Sinne die Abstraktion und die Konkretion zu kurz gegriffen. Quadrate und Dreiecke wollten eine innewohnende Wahrheit beschwören.
 ‑ Hegel/Plato Idealismus eine formale Behauptung, die auch so genutzt werden will. Da muß man ganz vorsichtig vorgehen, denn hier gilt keine festgeschriebene in Stein gehauene Verkettung. Das ist temporär und fragil. ‑
Und das geht meist schief, denn hier gelten subjektive und nicht objektivierbare Wahrheiten. Es sind lyrische Interpretationen, die das erlebbar und erfahrbar machen. Noch komplexer wird das, wenn Gefühle mit Bildern evoziert werden. Der virtuelle Raum erweitert den imaginären um die Möglichkeit eines Erlebnisses, das den Betrachter direkt betrifft. Kann ein Gefühl abstrakt sein? Ja. Abstrakte Gefährdungslage. Ist Politik abstrakte Kunst?


Hendrixschleife

Eine Neuinterpretation von Kandinsky kann nicht an formalen Dingen verharren.

Die Wahrnehmung ist um vielfaches dichter geworden.

Wahrnehmung

Das Schwierige ist, dass man sich wie so ein schwieliger Afd-Fiesling vorkommt, wenn der Blick hinter die Kulissen thematisiert wird, die Verschwörung ist überall. Theorien über das Böse, den Betrug, den Machtmissbrauch, verkrustete Strukturen und die schwarzen Helikopter, sie dienen nur der Ablenkung und werden meist von den Gleichen gestreut, die für die schmutzigen Jobs stehen und sich beschweren, dass sie mit ihrer Strategie nicht weiterkommen. Die Verlogenheit und sein formales Pendant: Die Schleife

Die Augenmaske, die geheime Identität

Augenmaske


Die eingetretenen Pfade, die üblichen Feindbilder und der Dreck klebt an den eigenen ausgetretenen Schuhen. Es ist einer komische Denke, erst predigt man die Strahlkraft und Überlegenheit der eurozentristischen Kultur und dann wundert man sich, dass die Welt an ihr teilhaben möchte. Der Zauberlehrling der Kurzsichtigkeit, des Selbstverliebten.

Das Superman-Thema

Wir bewegen uns immer in festgelegten Grenzen, auch wenn wir sie ‚Entgrenzung‘ oder ‚Freiheit‘ nennen.
Wir bewegen uns neben der ‚sogenannten Realität‘ immer in einem personalisierten Raum, geschaffen durch die Eigenwahrnehmung.
Wir bewegen uns immer  innerhalb der eigenen Definitionsgrenzen.
Gefährdendes wird  mit einer potenzierten Wiederholung, mit dem noch lauteren Schreien und Ohren-Zuhalten bekämpft. Die Schleifen werden noch schneller gedreht. Wie war das mit dem Tanz der Sufis und der Extase?

Burg



Aber was ist es, das das unangenehme Gefühl ausmacht? Wann geraten die Definitionsgrenzen/Gefängnismauern/Museumsräume unter Druck?
Solange dem Menschen zugesichert wird, ihn erwarte eine großartige Zukunft, ist die Leidensfähigkeit groß. Das Karottensystem oder auch das Heilsversprechen. Die heilige Karotte!
Sobald das Vertrauen abnimmt, beginnt das verzweifelte Strampeln des Ertrinkenden, Strategien des Beharrens werden aus dem Hut gezogen, hysterisch proklamiert. Das Kaninchen verlangt nach der Karotte. DER VOLLZUG
Ein Karottenornament?

... No reason to get excited
The thief he kindly spoke
There are many here among us
Who feel that life is but a joke
...




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2016

ALESSIA, SCHÖN WÄRE ES …

Die Bebilderung einer Landschaft


mit Beiträgen von Bruno Kuhlmann
und
Fotografien von Siegfried Wameser
unter der Mitwirkung der
Fürstenfeldbrucker Ausstellungsbesucher



AlessiaLandschaft1
B. Kuhlmann, Zeichnung nach C. Spitzweg, 2015

Landschaft ist ein Konstrukt, das entstehen konnte, weil der Mensch sich endlich den Müßiggang leisten konnte.
Die Natur wandelt sich vom Ort des täglichen Überlebenskampfes zu einem des ästhetischen Erlebens, zum Schauplatz einer menschengemachten Ursprünglichkeit.
Und Landstriche, wie das so urige Oberbayern sind ausgiebig im Interesse des Menschen umgepflügt worden, so dass von der Ursprünglichkeit nur die Bilder im Kopf der Spaziergänger verblieben sind.






AlessiaLandschaft2
Foto: Siegfried Wameser



Landschaft, wir verbinden mit diesem Begriff
immer etwas Elysisches, Paradiesisches,
den Ort, an dem die Seele zu seiner verdienten Ruhe kommt.
Landschaft impliziert Natur und Ursprünglichkeit.
Der Spaziergang durch die Natur
erscheint als der Besuch
des Entfremdeten bei seinen Wurzeln.



AlessiaLandschaft3
B. Kuhlmann, Werkbeispiel, 2015



Diese Ausstellung stellt in den Ausstellungsräumen des Haus 10 im Kloster Fürstenfeldbruck einen fiktiven Spaziergang in der Natur nach.
Ein Pärchen wandert durch die Natur, am besten durch die Umgebung von Fürstenfeldbruck, viel Altbekanntes begegnet ihnen. Sie reden über Gott und die Welt. Sie wandern durch die Natur, durch die Landschaft und letztlich durch die Bilder ihrer geistigen Landschaft, durch ihre eigene Ausstellung.
Der Maler Bruno Kuhlmann und der Fotograf Siegfried Wameser laden nun das Fürstenfeldbrucker Publikum dazu ein, zu dieser Ausstellung eigene Bilder, Objekte oder Fundstücke beizusteuern.
‚Alessia, schön wäre es …‘, bereits dieser Titel fordert das Publikum zum Weiterdenken auf und spielt mit der Phantasie, fragt, was denn nun so schön sei. Das Pärchen ist auf dem klassischen Sonntagsspaziergang im Grünen, sie genießen die Natur und ihre Gedanken schweifen im Gespräch von einem Thema zum Anderen, bis er zu ihr den besagten Satz anhebt.
Mit kleinen Plaketten, auf denen kurze Fortsetzungen angedeutet werden, mit Landschaftsfotografien von Siegfried Wameser aus der Umgebung von Fürstenfeldbruck und mit assoziativen Zeichnungen und Gemälden von Bruno Kuhlmann bilden die beiden Künstler ein Ausstellungsgerüst in den Räumen von Haus 10.
Und nun rufen sie das Publikum auf, dieses Thema mit eigenen Beiträgen zu vertiefen. Während der Ausstellungsdauer, während der Eröffnung und auch während des Aufbaus kann ein eigener Beitrag vorbeigebracht werden, von Großvaters Ölschinken bis zu Fundstücken des letzten Spazierganges.


AlessiaLandschaft4
B. Kuhlmann, Gipsplatte, 2015


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2013

PLAKATIV find ich gut!

„Das schönste Naturschauspiel wird niemals den Anblick einer Plakatwand
aufwiegen.“
Ein Zeitgenosse von Jules Cheret, dem Pionier der Plakatkunst zu Ende des 19. Jahrhunderts


Plakativ_Karte


Alexandra Bahlmann, Eva Baumert,
Barbara Bernrieder, Sabine Berr, BoslSchiedWeber, Stephan Conrady,
Heike Döscher, Isabelle Dyckerhoff, Johannes Evers, Eberhard Falcke,
Irene Fastner, Tom Früchtl, Victor Hausladen, Heribert Heindl, Lorena Herrera Rashid,
Michael Hofstetter, Sabrina Hohmann, Endy Hupperich, Bruno Kuhlmann,
Simone Lanzenstiel, Christoph Lohmann, Rut Massó, Evi Mayr, Vincent Mitzev,
Matthias Mücke, Maria Ploskow, Olaf Probst, Katrin Siebeck, Barbara Spaett,
Philipp Stähle, Andreas Stetka, Wolfgang Temme, Valio Tschenkov, Beatriz v. Eidlitz



Plak_1a

Das Plakat hat eine klare Absicht: es muss und will auffallen. Immer hat es etwas Dringliches, um Aufmerksamkeit heischendes, es ist laut, bunt, schnell da und auch schnell wieder weg. Es verbindet sich hier die vordergründige Inszenierung mit einer mehr oder minder sinnvollen Botschaft, die das Plakat lauthals in die Öffentlichkeit plärrt. Ist die Kampagne abgeschlossen, so folgt eine neue, die Neuere, das Neueste: Das bunte, vergängliche Spiel, das die städtische Umwelt bebildert, wie zuvor die Fresken die Innenräume von Kirchen.

Die technischen Errungenschaften des 19. Jahrhunderts und die geistige Säkularisierung ließen das Phänomen des Plakates und des massenhaften Plakatierens entstehen und entwickelten eine eigene unmittelbare und unverkennbare Bildsprache. Von den russischen Avantgardisten bis zu Warhol wurde es zu einer programmatischen Missionierung der Kunstwelt genutzt. Seither schlägt diese sich mit der Reduktion auf die Wiedererkennbarkeit und medialem und imageträchtigem Dresscode herum.


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Das Plakat ist in der Welt des virtuellen Auftritts nur eine Werbefläche unter vielen und zu einem Grundrauschen im medialen Orchester mutiert. Via App und Internet bastelt es sich leicht, so ein Plakat und erstaunt dann doch als real existierende Ausdrucksform. Dieses bisschen bunt bedruckte Papier, virtuell beauftragt, ohne Körperlichkeit.

Bruno Kuhlmann lädt 37 Künstlerfreunde ein, ihren individuellen Blick auf dieses Phänomen zu werfen. Er stellt sein Atelier für eine Woche als Ausstellungsraum zur Verfügung. Der Innenraum wandelt sich von der Produktionsstätte zu einem Bildersaal. Nicht die Inszenierung des individuell gefertigten Bildes zählt, sondern die Vielzahl, das Konzert, das Geschnattere der Bildfindungen, wenn Plakat neben Plakat vom Boden bis zur Decke auf die Betrachter einstürmen.

Sie produzieren ein oder zwei Motive in der Größe von etwa 80 x 60 cm und drucken sie im Copyshop oder Internet als Laserkopie oder Inkjet. Im Gegensatz zu dem herkömmlichen Plakat werden diese jedoch nur in einer geringen Auflage von jeweils 5 Exemplaren gedruckt, die Verknappung des Guts fordert ihren Tribut. Es entsteht eine Plakatedition, die kurz und bündig künstlerische Positionen nebeneinander stellt.


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2011/12

Haben Wir das Wirklich gewollt?

Haben_wir_01


AUSSTELLUNGSKONZEPT

Künstler

Bernd Weber Rauminstallation
Ben Cottrell Zeichnung
Heribert Heindl Malerei
Matthias Mücke Malerei
Bruno Kuhlmann Malerei Video  

und ein Bild von Helmut Sturm


 

GRUNDIDEE

Künstler des beginnenden 20. Jahrhunderts, sagen wir, Kirchner, Picasso, Kandinsky, Münter, Klimt und Malewitsch treffen sich, vielleicht ist es ein Klassentreffen der künstlerischen Größen. Sie setzen sich zusammen in einer Art Himmel und räsonieren, was sich in dem Jahrhundert bis heute zugetragen hat, was sie denn losgetreten haben. Vielleicht handelt es sich um eine psychiatrische Anstalt, vielleicht eine Art Jüngstes Gericht oder ein letztes Abendmahl, vielleicht ziehen sie dramatische Konsequenzen, vielleicht bleibt aber auch alles beim Alten. Was zählt, sind letztlich die Querverweise. Ein Netz spinnt sich, in dem das Eine wie auch immer mit dem Anderen verbunden wird.

 

Raum_Haben_1


VIDEO

Es ist eine dramaturgische Fiktion, die im Zentrum dieser Ausstellung steht. Sie schlägt sich in einem Zwiegespräch nieder, festgehalten auf Video und zentral projiziert. Zwei Personen unterhalten sich, der Eine breitet vor der Anderen die Idee dieser Zusammenkunft aus. Der angeregte Dialog entwickelt sich:  dass eigentlich nur hundert Jahre vergangen sind, seitdem in Wien der Jugendstil ein allumfassendes Total-Design anstrebte, der Expressionismus gegen die geltenden Konventionen revoltierte, sich dann gänzlich von der Abbildung der Welt verabschiedete, der Futurismus offen die Gewalt und Zerstörung propagierte und in Russland bereits der Endpunkt der Malerei gesetzt wurde.

Themen der künstlerischen Existenz und Selbstverständnisses im Verhältnis zu einer sich wandelnden Gesellschaft, der Nähe und Ferne von Tradition, werden in dieser Form diskutiert. Anspruch und Wirklichkeit der künstlerischen Intention werden den verschiedenen Protagonisten auf die Zunge gelegt. Der Dialog mutiert immer mehr zu einem Monolog einer monomanischen Überzeichnung.

Eine surreale Szenerie entspringt dem Gespräch, das keine Lösung sucht, vielmehr den Blick auf  die Widersprüchlichkeiten lenkt.



Habenwirdas_Film

Filmausschnitt




AUSSTELLUNG

Um dieses zentral in der Ausstellung präsentierte Video gruppieren sich Leinwände, Objekte, Zeichnungen von Bernd Weber, Ben Cottrell, Heribert Heindl, Matthias Mücke und Bruno Kuhlmann. Die Arbeiten agieren wie Verweise. Sie sind eigenständig, verarbeiten jedoch historische Bezüge und thematisieren den bildnerischen Diskurs über Abstraktion, Expression, Geometrie, Konkretion und somit, wie in dem Video thematisiert, die eigenartigen und widersprüchlichen Beziehungen in der Bilderwelt des 20. und 21. Jahrhunderts bis heute. Sie üben sich nicht in einem Retro-Look, ganz im Gegenteil es geht ihnen um die Rezeption im heutigen digitalen Zeitalter. Es geht um Schärfe und Unschärfe, um den Verlust des Einzelbildes zu Gunsten einer scheinbaren Verfügbarkeit und Benutzbarkeit von unendlichem Bildmaterial, insbesondere um eine noch nie dagewesene Kombinatorik und deren notwendiger Reduktion, sowie deren Inhaltlichkeit. Sie stehen explizit in der malerischen Tradition des 20. Jahrhundert, wundern sich über sie, ironisieren sie und thematisieren zugleich dieses eigenartige Bedürfnis dieses Jahrzehnts des 21. Jahrhundert, die eigene Geschichte immer wieder neu in das Zentrum der eigenen Bildfindung zu stellen.

Raum_02   Raum_01

Ist diese Ausstellung eine Reflexion, die malerischen Mittel betreffend, die neue Aussagen suggerieren und sich doch im Grunde auf ganz herkömmliche inhaltliche Diskussionen zurückführen lassen? War hier ein Buch, wie „Über das Geistige in der Kunst“ für die Entwicklung der Kunst nicht schon viel weiter?
Es geht vielmehr um die Einbettung in und um die Begrenztheit durch die Zeit, die gesellschaftlichen Bedingungen der Produktion von Kunst, um die Konsequenzen, die dramatischen, wie die komischen.


Raum_03

Ein Reflex aus dieser Geschichte in realer und nicht nur gedanklicher Form tritt zuletzt mit einem Gemälde von Helmut Sturm in Erscheinung. Sie bildet den Abschluss der Ausstellung, einem Kontrapunkt ähnlich. Diese Arbeit aus den neunziger Jahren verweist auf den noch ganz anderen Umgang mit der Moderne vor nicht allzu langer Zeit und auf eine historische Kontinuität, die den jüngeren Künstlern aus den Fingern zu gleiten scheint.

 



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2007–9

ABER WARUM MALEN WIR SO WIE DIE?

Thoughts on Abstraction und die Anderen

Gedanken über AM.PKL.GM.WK:FM

Kathedrale-blau

Übermalung, 2008, 21 x 29,7 cm, Acryl auf C-Print


– Für einen, der in München geboren ist, fing das Ganze mit der Malerei natürlich mit einem Paul Klee, einem Kandinsky oder Marc an. Dieser Vorrang des Abstrakten vor dem Figurativen, sicherlich auch das Ästhetisierende. Vieles, das mit der Geschichte dieser Region verbunden ist. Das blieb hängen, auch in den Diskursen über Konzeptuelles, neuer Figuration und was sich da noch alles tummelt. Es war eine unumstößliche Tatsache, Abstraktion als ein geistiges und ein historisches Phänomen zu sehen und zu entwickeln, ohne das sich Vieles heutzutage nicht denken lässt, sei es in seiner zeitbezogenen Kontinuität, wie auch in der Möglichkeit daraus einen Topos zu erschaffen.... –




Spaengler



Seerosen-Raum  Schachbrett



waescheleine 0027



0014



Pfeile 0020 Ci



0005  0001



Inseln



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2006

Ein Tag am See


Tag-am-See-a


Tag-am-See-2


Tag-am-See-4


Tag-am-See-3


Tag-am-See-1



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1999

Ten ways to love a painting

In Bezug auf die neuen Arbeiten von Bruno Kuhlmann sollte man wieder einmal "die Bilderflut" bemühen und strapazieren. Also wir werden überschwemmt von ganz vielen Bildern. Überall, an jeder Ecke, lauert das Bild, und wir, von süßem Schauer hoffnungsfroh ergriffen, wollen immer und immer wieder gepackt sein. Wir, die Verbraucher, vertrauen darauf, daß uns ein audiovisuelles Sofa die Welt so schnell und angenehm, wie möglich, und am besten vergessen macht. Als wichtigstes Hand-werkszeug hierfür dient die Lesbarkeit von Bildern, will heißen, wir wollen Menschen zusehen, wie sie die Dinge erledigen, die uns auf das Gemüt schlagen.

Und nun ein unangenehmer Vorfall, der Film reißt, die Figuren in der Bewegung eingefroren, den Mund zur Beschimpfung halb geöffnet und dann dekorativ durchfurcht von schwarzweißen oder bunten abstrakten Mustern, aus dem Off tönt das Leben weiter. Diese Situation beschreibt so ungefähr die Grundkonstellation der Arbeiten, die Bruno Kuhlmann unter dem Zyklus "Ten Ways To Love A Painting" zusammengefaßt hat. Konkret findet man querformatige Leinwände vor, auf deren unterster Schicht senkrechte weich ineinander übergehende Farbverläufe stereotype Muster gemalt werden. Die Stimmen des Films übernehmen Schriftzüge in der Mitte der Gemälde, die durch Kunstharz in einer rechteckigen Form wie hinter Glas gesetzt zu sein scheinen. Zu lesen sind dann Sätze, wie "Glaubst du," schrie sie ihn an, "daß ich so einfach zu genießen bin?" oder "Sie lächelte und konnte es sich nicht verkneifen: "Wer Augen hat, der sehe!" Sie erscheinen direkt aus mittelprächtigen Beziehungsdramen entnommen zu sein. Vorwürfe und Ansprüche werden ausgefochten und doch wird nicht klar, ob sie nicht eigentlich das Verhältnis des Betrachters zu dem Kunstwerk reflektieren. Wie geht man an ein Kunstwerk heran und welche Erwartungen verknüpft man mit ihm. Der Spruch "Sie wollte immer nur geliebt werden, um Bewunderung buhlte sie." thematisiert ja zum Beispiel dieses Einzigartige und Auratische des Kunstwerkes, das auch zur Crux werden und den Blick auf das Einzelne versperren kann.

Und hier bauen diese Arbeiten auf den Vorangehenden der letzten Jahre auf. Immer wieder geht es Kuhlmann um den Blick auf das Gemälde. Nachdem das Kunstwerk nicht eingleisig gelesen werden kann, wird der Kontext, in dem es sich präsentiert, von höchster Bedeutung. Das 'Wie ein Bild gemalt ist' ist die eine Sache und auch in diesem Fall sehr entscheidend, jedoch das 'Wofür' das Gemälde geschaffen wird, entwickelt erst das Bild, den dahinter liegenden Bildbegriff. Sei es repräsentativ und museal oder zum Beispiel in einem privaten Umfeld, die Ansprüche an das Kunstwerk und seine Form, und sei das Ergebnis letztendlich ein Katzenbild, ergänzen einander. Dieses Wechselspiel entwickelt das "Imago", den inneren Zusammenhang des Bildes. Insofern, so könnte man sagen, möchten diese Arbeiten den scheinbar unaufhaltsam vor sich mahlenden Bilderstrom in Scheiben und Bedeutungsschichten zerlegen und als Momente, das Bilder zerlegen.


Ten-Ways-2 Ten-Ways-1

 

Ten-Ways Ten-Ways-3

 

Ten-Ways-4 Ten-Ways-5

 

Ten-Ways-6  Ten-Ways-7

 

Ten-Ways-8 Ten-Ways-10




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1998–9

Lovestorys


Das-Fotoalbum-Text



Das-Fotoalbum

 

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1998

Die Enzyklopädie des Bildes
oder
Die Ästhetik, ihre Grundregeln im alltäglichen Leben

Ein Interview


Fragen: Welche Stellung wird der Archäologe unserer einstmals vergangenen Kunst zubilligen? Wird er sie als das verstehen, als was wir sie sehen? Was, glauben Sie, wird er in Bildern mit monochromen Flächen finden, große Langeweile oder die erlesenste Exquisitheit des Geschmackes?

Diese wird er wohl übersehen, denn vor allem wird er entdecken: Alles ist Kunst, Kunst des Kochens, Kunst des Bogenschießens, Kunst des Liebens oder meinetwegen des Whiskeytrinkens. Der Graphikdesigner legt sich den Titel „Art Director" zu, wie auch Radios, Computer, Möbel etc. ihre Besonderheit mit dem Zusatz „Art-..." zu unterstreichen pflegen. Passend wird er die T-Shirts, Jacken, Pullover ausgraben, die den Menschen zum Werbeträger dieser Kunst machen.

Frage: Was Sie hier ansprechen, sind lediglich Marketingstrategien, die wie Efeu die eigentliche Kunst umkrusten. Soll das Kunst sein?

Ihre „Marketingstrategien" charakterisieren die Widerspiegelung von Kunst in der Gesellschaft recht eindrucksvoll. Darauf kommt es an. Und zwar mit Bildern, oder präziser ausgedrückt mit den Fetischen der sozialen Zugehörigkeit. In Anklang an Exklusivität, Raffiniertheit, überlegener handwerklicher Fertigkeit und natürlich hoher Kennerschaft, alles Dinge, die der „eigentlichen Kunst" angehängt werden, wird dem Publikum das Gefühl vermittelt, auch endlich mal dabei sein zu dürfen, nicht im demokratischen Einerlei zu verschwinden. Es geht nicht um diese „eigentliche Kunst". Entscheidend ist eher, daß durch ihre Theoretiker die Grundlagen ästhetischen Denkens entwickelt wurden. Mit ihren idealistischen und romantischen Philosophen wurden schon vor zwei Jahrhunderten die Begriffe, Schönheit, Erkenntnis, Genie und Kreativität, Authentizität, Einmaligkeit, Erhabenheit etc. geprägt. Heutzutage Allgemeinplätze, spezifiziert, zusammengefaßt und griffig gemacht mit der Vorsilbe „Art...".

Frage: Ja, aber ist es denn nicht so, daß, wenn es denn dann um „eigentliche Kunst" geht, diese philosophischen Erkenntnisse - Sie sagen dazu Allgemeinplätze – einfach vom Tisch gefegt werden?–

Naja, wie gesagt, heute wandelt sich das Verhältnis zwischen Rezipienten und Produzenten. Nicht zuletzt aufgrund der neuen Medien, ihrer Verfügbarkeit, leichten Handhabung und der Massenwirksamkeit gilt immer weniger die Einzigartigkeit des Schaffenden. Die Kunst geht immer mehr auf jeden einzelnen über. Und wie gesagt, im Wesentlichen es kommt auf die Theorie an. Sie schafft die Bilder.

Frage: Inwiefern?–

Das ist ja das Erstaunliche: Der geringste Prozentsatz der Bevölkerung hat sich Schlegel, Kant, Schiller je auch nur genähert, und trotzdem die Begriffe von Erhabenheit, Schönheit, Genie etc. sind in welcher Form auch immer für jeden Menschen klar umrissene Eigenschaften, zumeist des Besonderen, Hervorgehobenen. Diese Werke sind in das Unterbewußtsein der Gesellschaft übergegangen. Und das muß man mal aufzeigen, daß diese Alten Herren unsere Bilder des zu Erstrebenden geschaffen haben. Wandern wir verträumt durch mittelalterliche Gassen, so wird uns unbewußt Ruskin verfolgen mit seinem „Damals war noch alles in Ordnung". Ein klassischer Topos!

Einwurf: Welch schlecht gewähltes Beispiel! An jeder Straßenecke finden Sie doch Menschengrüppchen, die sich darüber beschweren, daß früher einmal alles besser gewesen sei. Man muß doch nicht kilogrammweise Theorie heranschleppen, um Naheliegendstes, Menschlichstes zu erklären, wie weltfremd! –

Interessant, Sie schließen wohl noch von dem Leben auf die Kunst. Wahrscheinlich glauben Sie auch noch an die „Authentizität". Nach dem tausendsten expressiven Bild sind Sie also noch immer der Meinung, der Künstler sei davon schwer betroffen? Kunst ist künstlich! Und hier liegt das Eigenartige, so scheint es zumindest, der Mensch versucht sich liebend gerne in diese Künstlichkeit zu stehlen. Wohl kaum ist der Grund in schwächlicher seelischer Verfassung zu suchen, wohl eher in seiner eigenen Selbstdefinition, an seinen Modi die Welt für sich zu formen. Wenn man jedoch in der Künstlichkeit steckt, die ja heutztutage immer mehr zunimmt, hat man es mit Ästhetik und somit mit Theorie zu tun, mit der Theorie der Bilder.

Fragen: Eine Frage nach der Henne und dem Ei, denn so groß die Philosophen auch sein mögen, diese Begriffe sind doch nicht auf ihrem Mist gewachsen. Denn was ist nun mit dem vielbesungenen Sonnenuntergang und allgemein den Naturerlebnissen? Und überhaupt ist denn nur ein Künstler genial? Folgert daraus eigentlich die Forderung, Kunst bleibe bei deiner Erhabenheit?–

Darauf kann man nur lapidar antworten: Erst der Versuch, Natur oder meinetwegen Schraubenzieher in Worte, das heißt in geistige Bilder, zu übertragen, macht die Objekte ästhetisch erhaben oder langweilig. Sie sind der realen Welt entzogen und in eine ästhetische überführt. Aus diesem Grund sind auch Gebrauchsanweisungen so spannend. Im Gegensatz dazu ist das Kunstwerk von vorne herein als ein ästhetisches definiert. Da heutzutage alles ästhetisch ist, wie zuvor erklärt, ist ein Gemälde auch nicht erhaben im klassischen Sinne. Worüber denn in der Masse der Ästhetik?–

Frage: Theorie kann doch nur Bekanntes, in der Realität Vorgefundenes katalogisieren. Bestückt sie insofern nicht das Leben mit Kategorien, mit eindimensionalen Vorstellungen?–
Sie spielen darauf an, daß das Leben eindimensional würde. Das hängt natürlich davon ab, wie kreativ die Philosophen sind. Die ganze Geschichte mit der Ästhetik ist prinzipiell etwas haarig, darüber wird meist großzügig hinweggesehen. Verläßt man sich auf die Formel, „alles ist Kunst", dann bewegt man sich in einem virtuellen Raum, einer Art „Dallas"–Fernsehserie. Sicher das Leben birgt Überraschungen, die niemanden einfallen würden. Die Virtualität verheißt jedoch Geborgenheit.


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1997

Die Bilder und das Möbelhaus


Malerei im Ausstellungsraum eines Möbelhauses hat verloren. Unweigerlich wird ihr Verrat vorgeworfen. In ihrer Funktion als Stellvertreterin, sozusagen als "model" , als Platzhalterin, darf sie sich selbst nicht mehr ernstnehmen. Sie muß eigentlich nur gut aussehen, einem Image entsprechen.

Was geschieht nun, wenn Möbel, natürlich zu verkaufende, in einen Kunstraum gelockt werden, von der Malerei zum Show Down herausgefordert? Ein nackt zitternder Gegner steht deplaziert herum, weiß gar nicht, was er hier soll. Ein klassischer Vertreter des marktorientierten Schöpfungsprozesses spielt die Rolle des Duchampschen Flaschentrok-
ners und redet dann noch von den verschiedenen Funktionen der Präsentationsräume. Redet sich heraus, schmeichelt viel und spricht gerne und besonders vom Verkauf. Daß auch in Galerien verkauft werden würde und daß eine Musterschau doch alles geben würde, alles nett ästhetisch zu präsentieren und daß jeder ein Recht habe, Möbel im richtigen Ambiente sehen zu dürfen. Dann spricht er von Simulation und davon, daß man doch eh nur zeigen würde, wie es daheim bei den Leuten aussehe. Also sei gar nicht seine nette Mittelmäßigkeit schuld, das hätte schon der Käufer zu verantworten.

Der Käufer, der Verursacher? Er, der Mastermind? Er, das Massenwesen, so wankelmütig, so inhomogen, so zerstritten mit sich selbst, ist der Schöpfer der Malerei? Nicht nur seine Nachfrage würde die Kunst determinieren, nein, erst in seinem Kopf entsteht die Kunst.

Was er zur Kunst erkoren hat, das ist die Kunst, ob es nun Gartenzwerge, Kronkorken oder Picassos sind. Es könnte auch eine weiße Wand sein, die für den Betrachter spannender ist als jeder Ryman. Der Künstler ist der Dienstleistende gegenüber dem Rezipierenden. Ein Gemälde, einmal fertiggestellt, wird zum Subjekt des Betrachters. So wie dieser es entsprechend seiner Einrichtung, seiner Vorstellung, sei es schwerer Italien-Barock, modernes Design oder museale Inszenierung, einpaßt, unter anderem daraus entsteht die eigentliche Form. Will heißen, seine subjektive Sicht, sein Umgang, macht ihn zu dem Künstler und seine Wohnung zur eigentlichen künstlerischen Installation.

Schlußendlich verfolgt dann derjenige den geradlinigsten Kurs, der in der Malschule "Aquarellieren leichtgemacht" eigene Werke schafft und diese stolz in die Sitzecke hängt. Das Zusammenfallen von Herstellendem und Verbrauchendem ist somit eigentlich schon in jedem Volkshochschulkurs erfolgreich realisiert. Endlich, der autarke Künstler!

Möbel in Schauräumen befinden sich in einer widersprüchlichen Situation. Um das Bedürfnis nach subjektiver Appropriation zu wecken, werden sie exponiert. Die Fiktion ihrer Handhabung wird suggeriert, doch ihre körperliche Präsenz ähnelt dem Garten der verbotenen Früchte. Zu leicht droht die Forderung nach Regreß bei Benutzung. Also schleicht man da mit gewissem Respekt um die Objekte herum und dieses Schicksal teilen sie mit Kunstwerken. Somit wäre doch das Möbelhaus auch nahe verwandt mit dem Kunstmuseum und der Galerie. Den Aspekt der Begierde, den rein immateriellen Genuß, sozusagen eine geistige Möblierung, die Distanz fordernde Präsentation und die Vielfalt muß man als ähnliche Eigenschaften anerkennen. Man läuft in beiden Fällen durch einen irrealen Film, in dem es vor Angeboten nur so wimmelt, die per se nicht zu einer greifbaren Form gerinnen wollen. Seltsam entrückt wirken die Gegenstände in den neutralen, beziehungsweise nur zur Präsentation gestalteten Räumen. Nur zu oft kulminiert dann diese Inszenierung in einem eigenartigen Gesamtkunstwerk "Wohnung", wenn diese Präsentationsformen als Musterbuch durch den Kunden mit in seine Privatsphäre übernommen werden. Ein Zirkelschluß folgt, in dem jeder vom anderen abschaut, die Unterschiede nivellieren sich. Und das Wohnen im Möbelhaus findet nicht mehr nur im Film statt. Genauso gibt es ja auch endlich Partys in Museen.


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MobelhausansichtGelbeSeite


ModellSunshine



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1996

Kunst versus Sports

1. Der Sport ist Kunst von heute.
2. Es gilt nicht mehr „Jeder Mensch ein Künstler",
     sondern „Jeder Mensch ein Sportler".
3. Kunst - das virtuelle Spiel von morgen?

Die erste These: „Der Sport ist Kunst von heute."

Keine Frage, Sport, insbesondere Basketball, ist ein hoch virulenter, kultureller Faktor. Basketball versinnbildlicht schlechterdings „The American Style". Es wird Großstadtluft geatmet. Da ist Teamwork gefragt, „Es hält fit und beweglich für den Alltag". Ein schönes Erfolgserlebnis, wenn man mal so einen Ball reinbekommt, fast wie Schrempf oder Jordan. Und überhaupt die Klamotten, schön bunt, zu schön, um sie nach dem Training wieder auszuziehen, besonders wenn die „SEATTLE SUPERSONICS" gegen die „CHICAGO BULLS" antreten, natürlich live im Sportfernsehen.
Und hier beginnt sich die Grenze zu verwischen. Sport ist eine künstlerische Performance; jeder ist eingeladen, daran teilzunehmen, in Rollenspiele einzutauchen, mitzumachen. Die sportliche Identifikation funktioniert dabei geradlinig, übersichtlich. Als Performer signiert weniger ein künstlerisches Einzelgenie, sondern die Marktwirtschaft selbst.
Entwicklung von Vorstellungen und Visionen, in gewisser Weise soziale Einbindungen, Spiegel der Zeit, Intellektualität, zwischen diesen Eckwerten definiert sich herkömmlicherweise Kunst - und rauscht geradewegs am Interesse der Gesellschaft, auch an der Neugier vorbei in die abgeschiedene Vergeistigung.

Die zweite These: Es gilt nicht mehr „Jeder Mensch ein Künstler", sondern „Jeder Mensch ein Sportler."

Wie gestalten sich diese beiden Entertainmentformen? Der Sport, ähnlich einem Schauspiel, konzentriert seine Gestaltung auf die Aktionen der Protagonisten, festgefügt in gleichbleibende, durchschaubare Rituale. Zeit, in jeder Form von Schnelligkeit, zeichnet sich als Grundbedingung aus, damit verbunden der Wettkampf, schneller, höher, geschickter. Eine zunächst einmal körperliche Konkurrenz, für den Rezipienten ganz unmittelbar zu erfassen. Und darum geht es in diesem Schauspiel, auch in seiner Gesamtheit. Dieses Dabeisein, Mitfiebern, das „Im-Moment-Sein", dieser Kick aus dem Alltag heraus, verbindet sich mit der bedingungslosen Hingabe des Individuums zu Gunsten des Fußball-Clubs, des Basketball- oder Baseball-Clubs in den USA. Das Hochreißen der Arme, dieses „Ornament der Masse"(1). Zeitgleichheit von Event, Entscheidung und Zuschauen ist der ausschlaggebende Antrieb. Wer interessiert sich schon für das Spiel des vergangenen Tages, auch wenn es das des eigenen Clubs ist und obwohl es vielleicht dann erst zu einem ästhetischen Ereignis werden könnte.
Über das Massen-Ereignis stülpen sich die Medien und mit ihnen die hochgradigen Vermarktungsmechanismen. Sie entscheiden mit an vorderster Front über die Popularität einer Sportart. Zu ihren Gunsten werden Regeln geändert, die Veranstaltungszeiten verschoben ..., bessere Häppchen für den Zuschauer, als allumfassendes Medien- und Werbeereignis. Die Heroen im Dienste von Müller-Milch, Nike und Konsorten sind dabei lediglich Fiktion. Sie dienen als ideeller Warenkorb, aus dem sich Images erschaffen lassen. Detlef Schrempf, Lothar Matthäus, Franzi v. Almsick oder Steffi Graf, kein großer Unterschied zu verschiedenen Schokoriegeln. Primär geht es nicht um den Sportler, nix weiter als eine Rolle, ein Hamlet, eine Maria Stuart. Der Rezipient ist der eigentliche Schauspieler, aber auch der Autor. Er zappt sich durch den Supermarkt der medialen Welten, sucht sich seine Individualität zusammen, nicht zuletzt in Form des mundgerechten Events. Stückwerk, das kaum der Beuyschen Forderung nach „Jeder Mensch ein Künstler" entsprechen kann, denn eine Auswahl des immer Gleichen, jedem zugänglich, nivelliert nur die Eigenarten des Einzelnen. Also kein großer Unterschied zur Fankurve der Fußballstadien, der tausendfachen, immer gleichen Schals, Mützen und Sporttrikots.
Dieses Club-Szenario verknüpft sich für den Europäer fast schon zu einfach mit Fußball. Den höheren Grad der Sublimierung ins Transzendentale bietet hier schon alles US-amerikanische, die Fitneßwelle, Baseball, Football, Streetball, Basketball. Das Kunstwerk, das Sinnbild des immer jungen, attraktiven, weil sportlichen, erfolgreichen, weil sportlichen Menschen erstrahlt am Horizont. Und wie gesagt, diese Rolle ist eine zu kaufende. Man ist nicht mehr nur der Identifizierende im eigenen Traum, sondern tritt selbst als der real handelnde Protagonist in seinem „eigenen" Image auf.

Dieses Imagetreiben ist so unähnlich dem Konzept von Kunst nicht. Das Bild der „Maria Immaculata" von Tiepolo als Urahnin der Rexona-Werbung von Steffi Graf, warum nicht?  Es gilt zu differenzieren. Während die Werbung sich klar nach außen wendet, an jeden, den sie erreichen kann, bleibt die Funktionsweise von Kunst eigenartig gespalten. Dabei war und ist sie - besonders die Sparte Malerei - viel zu programmatisch, zu statisch, um in der Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz den Vergleich mit Marktwirtschaft und ihrem Werben mit tausenderlei Identitäten zu wagen. Das bekannte Problem, ein Gemälde kann sich nicht mit Lautstärke Respekt verschaffen wie ein Schauspieler. Es ist, noch so groß und poppig, verurteilt das Objekt an der Wand zu sein, das nur dann anfängt zu existieren, wenn das Paar Augen sich darauf richten. Was haben dann Michael Jordan mit Andy Warhols „Franz Beckenbauer" miteinander zu tun? Für beide gilt, daß sie im Grunde die gleiche Träume, Schauspiele anbieten. Auf verschiedenen Intensitätsgraden lassen sie Filme, Shows ablaufen. Dabei muß als Vorwand noch immer der Maßstab der Meisterschaft herhalten. Der „beste" Sportler, das „gut" gemalte Bild. Sind die Qualitätsmerkmale bei ersterem durch Sieg oder Niederlage klar umrissen, um so diffuser und auf individuelle Urteilskraft des Rezipienten angewiesen, ist ein Kunstwerk. Wenn „Jedermann" sich für die Karten des nächsten Bayern-Spieles anstellt, vielleicht auch noch das Muscle-Shirt von Nike für sein Sportcenter ersteht, weiß er, daß er für die Ware den klar umrissenen Traum gleich mitgeliefert bekommt. Die Boxershorts als Kunstwerk? Klar, aber ein Gemälde? Da muß schon großes Glück dazu gehören, wenn gerade dieses Stück Leinwand mit bißchen Farbe darauf zu den Rudimenten seiner visuellen Erfahrung paßt. Involviert gerade die Geschwindigkeit Zuschauer und Teilnehmer ins Ereignis, so kann die Subjekt-Objekt-Beziehung in der Rezeption des Gemäldes getrennter kaum sein. Und während sich von Mal zu Mal die Lebensdauer der Trendsportarten verringert, kaum hat sich bis heute ein Allgemeinbewußtsein entwickelt, das über den Expressionismus hinausreicht. Reduziert sich Malerei in den letzten Jahrzehnten immer weiter bis zur monochromen Fläche, oder kann nur noch in Zitatform Buntheit und Figuration akzeptieren - die Sportartikelindustrie feiert Feste ästhetischer Inszenierungen. Zu leicht schiebt man nun ein bildungspolitisches Manko vor, aber kann es nicht sein, daß Kunst einfach die falsche Form wählt, um in der Gesellschaft Position zu beziehen?
Ein Antagonismus, ein Wettstreit zwischen Geschwistern gleichen Ursprungs, den Sport kaum fürchten, Kunst jedoch suchen muß, um nicht in die mediatisierten Indifferenz abzutauchen.

Die dritte These: Kunst - das virtuelle Spiel von morgen?

Wie geht eine marktwirtschaftlich orientierte Gesellschaft mit ihrer Kunst um? Sie wird Teil der Warenwelt, und dazu braucht es die Verpackung, den Aufhänger, erschaffen anhand von Ergebnissen der letzten Marktforschung. Und die Folge, das erkannte schon Jean Dubuffet in den fünfziger Jahren, Kunst erstarrt in seiner Geschichtlichkeit (2), schlimmer noch im Event: „Vermeer" in Den Haag, wie Mickey Mouse in Disneyworld. Neben dem bemerkenswert sportlichen Aspekt der Besuchermassen, ähnlich einem Volkslauf, zeigt sich hier, daß etwas als Kunst verkauft wird, das eigentlich nur peripher mit der heutigen Gesellschaft zu tun hat, weil es entstanden ist vor Jahrzehnten, gar Jahrhunderten in einem völlig andersartigen kulturellen Kontext. Ein Bild wird vorgeführt, wie es konservativer und realitätsfremder kaum sein kann, aber gut verschnürt als Konsumartikel. Hier gilt kein großer Unterschied mehr zwischen „Michael Jordan" und „Van Gogh", aber nachgerade diese Art von Geniekult nullt die als Grundvoraussetzung für die Kunstproduktion prädefinierte Autorenschaft.
Dabei soll doch heutzutage das Banner der freien Willensentscheidung vorangetragen werden. Und sie kulminiert eigenartigerweise in der Freiheit zur Gleichheit, obwohl doch die individuelle, originäre Selbstverwirklichung gefordert wird. Ein strikter Wille zur Nivellierung verifiziert sich in den Sportstadien der Welt, gesponsert vom wirtschaftlichen Kreislaufmittel der Werbung. Diente dem Mittelalter das Tafelbild, den Glauben darzustellen, das Leben im Jenseits zu visualisieren, somit letztendlich auch nur Glückseligkeit zu verheißen, so übernimmt diese Rolle heute das Fernsehen, Hand in Hand mit der Werbung. Kunst, der Funktion beraubt, kann als Gebrauchsartikel á la „Van Gogh" oder "Monet" oder als intellektueller Individualismus überleben. Als letzteres entgeht sie kaum dem Risiko, dann doch noch in Form einer etwas bizarreren Anstecknadel daherzukommen. Nebenbei gesagt, die moderne Gesellschaft hat Kunst bisher immer mehr auf den Ausdruck des Einzelnen, des um Identität und Authentizität ringenden Zeitzeugen eingeengt. Ein Bild sollte im Prinzip Chronik werden und wurde damit aus der Teilhabe ausgeschlossen. Gründe hierfür dürften wohl auch in den geschichtlichen Wurzeln der Kunst zu suchen sein, unter anderem stark verkettet als Repräsentationsmittel mit der Aristokratie, sowie mit der romantisch idealistischen Vereinzelung eines C.D. Friedrich.
Kunst ist jedoch eine visuelle Inszenierung, ein visuelles Ereignis, das nonverbal Dinge, Situationen offenlegt, vorführt. Ihre besondere Qualität dabei, die materielle Stofflichkeit, ihre Existenz als Objekt, damit verbunden auch ihre ab und zu nervtötende Langsamkeit in der Wirkung. Und damit muß es ihr gelingen, sich einzumischen. Kein moralischer Zeigefinger postuliert sich, eher soll an die mexikanischen „Murales" eines Rivera oder Siqueiros verwiesen werden und an ihre soziale Bedeutung. Kunst muß in der Lage sein, Fragen zu stellen, sowie Antworten zu geben, die eigentlich jeden betreffen. Beraterfunktion? Ein weiterer Seelsorger? Wohl kaum. Aber ersteres prinzipiell, warum nicht? Kunst muß in der Lage sein, Statements abzugeben, die dazu verleiten, das Monet-Poster von der Wand zu nehmen und nach einem Original zu greifen. Es stellt sich dabei auch die Frage, warum Kunst primär durch den Namen des Schöpfers leben, und warum seine Haltbarkeit Jahrtausende überstehen muß, dieses ist ein aristokratisches Prinzip. Primär ist sie erst einmal Medium und dient damit der Kommunikation, ein Dienstleistungsgewerbe, das die Bedürfnisse der Kundschaft befriedigen muß und auch diese sind Generations- und Interessenswechseln unterworfen. Gewissermaßen ist eine Kunst gefordert, die den ungerührten Blick von außen, der sie zu einer repräsentativen Tapete verstümmeln läßt, hingibt zu Gunsten der Entwicklung von Form, die den Bildern der heutigen Gesellschaft Ausdruck verleiht. Und das ist letztendlich ein virtuelles Spiel.


(1)  vgl. Siegfried Kracauer, "Ornament der Masse" in Das Ornament der Masse: Essays. Frankfurt, 1963
(2)  vgl. Jean Dubuffet, Malerei in der Falle, Schriften Band I, Hrsg. Andreas Franzke, Bern 1991



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